Frank Scholz

Das innere Bild soll Maß sein

Was ist in der Kunst privat? Was ist politisch motiviert? Frank Scholz ist da ganz Partei: „Die Kunst soll für sich selber sprechen. Das ganze biografische Zeug, das geht niemanden etwas an!“ Gleichwohl ist Kunst unter dem alleinigen Aspekt der Ästhetik nicht sein Verständnis. Vielleicht entwickeln sich deshalb Atelierbesuche beim Maler und Bildhauer Frank Scholz zu spannungsreichen Zeitreisen in die Mischwelten des Surrealismus. Wo das Traumhaft-Unbewusste zu einer eigenen Bildsprache findet, Konventionen bricht und das Spiel mit neuen Welten beginnt. Farben und Formen erzählen rätselhafte Geschichten. Natürlich sind dann auch die Übergänge fließend, wenn der nach einem Unfall in seiner physischen Integrität verletzte Künstler zu einer neuen Formensprache findet.

Kühne Selbstversuche begleiten von Anfang an den Werdegang des 1953 in Neutraubling geborenen Künstlers Frank Scholz. Gegen den hartnäckigen Widerstand seiner Eltern, die sich für den Ältesten ihrer drei Kinder eine bürgerliche Laufbahn als Ingenieur wünschten, hielt er an seinem zunächst tolerierten „Kinderspiel“ mit Farben und Stiften fest. Als daraus Ernst wurde und seine „frühen Werke“ im Abfall landeten, dauerte es nicht mehr lange, bis sich der durchaus „schwierige Teenager“ (Selbstbezeichnung) aus dem Elternhaus in Neutraubling, von der Schule und der kritisch hinterfragten Religion verabschiedete.
Es folgten rastlose Jahre. Durchsetzt mit Selbstexperimenten und Erfahrungen.
„Ich war in Deutschland unterwegs, drei Monate in Marokko, zweimal im Iran. In dem einen Jahr habe ich mal nachgerechnet, die längste Zeit an einem Ort, waren zehn Tage. Ich war ununterbrochen unterwegs. Vielleicht bin ich immer vor meiner eigenen Unruhe geflohen.“

Auf all seinen Wegen, unterbrochen von Gelegenheitsjobs mit handwerklichen Fertigkeiten wie Restaurieren bei einem Antiquitätenhändler oder dem Malen von Bühnenkulissen, begleiteten den „Tramp“ Skizzenblock, Farbe, Pinsel und andere Malutensilien. Mal verkaufte er Radierungen oder erste Ölbilder in surrealistischer Manier. Aber irgendwann war dem augenverliebten Realitäts- und Naturbeobachter klar:

„Das mit dem Hinwurschteln reicht nicht mehr aus. Ich wollte einen neuen Anreiz, einen neuen Impuls. Es gibt so viele Möglichkeiten von Ausdruck und Gestaltung. Wenn irgendwas eine starke Expressivität hat, ist es gleichgültig, ob das handwerklich gut ist oder nicht. Bei anderen Sachen ist wieder handwerkliche Qualität wichtig.“

Sechs Jahre Kunstakademie

1977 begann Frank Scholz sein Studium an der Kunstakademie in München. Dem für Malerei und Grafik zuständigen Professor Mac Zimmermann, einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Surrealismus und seit 1963 Lehrstuhlinhaber an der Akademie für bildende Kunst in München, gefielen die vorgelegten Arbeiten des 24-jährigen Bewerbers. Die Aufnahme war so etwas wie das große Los. Dem stürmischen Andrang in München stand nur ein Bruchteil von Studienplätzen gegenüber.
Willig, gleichwohl kritisch, unterwirft sich der stets auf Autonomie und Eigenständigkeit bedachte Kunststudent Scholz dem strengen Reglement des Studienbetriebs. Zumindest jede zweite Woche will „Big Mac“, so wie vier Jahre später sein Nachfolger Robin Page, eine „Sache zum Herzeigen“ sehen. Frank Scholz zeigte her, was ihn bewegte. So wie es Mac Zimmermann interpretierte:

„Die Künst/er haben Geschichte, sie sind Seismographen seelischer Erdbeben, sie wollen Einkehr in sich selbst - ein seelisches Erlebnis, in dem das Geheimnis dominiert - voll von Auslassungen, vom Verstand kontrollierter Zufälligkeiten, Andeutungen, Sinn dafür, Seltsames heraufzubeschwören - Neigung für voraussetzungsloses Tun - Freilegung von Verstecktem, Verschüttetem und landschaftlichvegetativer Erinnerungen.“

Gerade so, als habe er ihn beschworen, malte Frank Scholz 1979 sein großes, wichtiges Bild: „Maria, breit den Mantel aus“. Der leuchtendgelbe Umhang der großen Nährerin bildet den Schutzschirm für all das irdische Teufelszeug, das sich darunter flüchtet. Es ist das erste von weiteren surrealistischen Bildern, das sich kirchenkritisch mit religiösen Bräuchen und Mythen auseinandersetzt.
Sechs Jahre verbrachte Frank Scholz an der Kunstakademie. Die beiden letzten Jahre als Meisterschüler des international angesehenen Robin Page, der seinem Diplomanden Scholz einen ausgezeichneten Abschluss testierte, was dieser als irrelevant in eine Schublade packte.
1983 lässt sich Frank Scholz als freischaffender Künstler in Regensburg nieder. Natürlich hatten auch in Regensburg die Achtundsechziger in Verbindung mit einer stürmisch wachsenden jungen Universität neue Duftmarken gesetzt. Der Boden für Neues, jenseits der etablierten, konservativen Strukturen, war bereitet. Von der Kunstbaustelle führte der Weg zur Künstlergruppe „Kunst-Werk“. Auf vierhundert Quadratmeter im Obergeschoß einer ehemaligen Bekleidungsfirma experimentierten fünf junge Künstler, unbeeindruckt von der lausigen Kälte und dem Urteil der heimischen „Säulenheiligen“, mit neuen Formen von Kultur- und Kunstereignissen.

„Ein Vegetationspunkt Regensburger Kultur“

In vielen Ausstellungen zeigten sie her, was im produktiven Chaos entstanden war
und übermütig textete Frank Scholz in Valentin-Manier wunderbaren Blödsinn:

„Während Affimieren nur bejaht, was nichtig ist und negieren nur verneint, was richtig ist, heißt simulieren, was ist, zu bejahen und dissimulieren, was nicht ist, zu verneinen.“

Als Teil eines Ganzen experimentierten die Fünf mit Installationen, Textcollagen, Theater und Musik. Das Gesamtkunstwerk im Kunst-Werk. Auch über zwanzig Jahre später vermittelt sich aus der Hinterlassenschaft der Kataloge, Fotos und Beschreibungen: „Das hat einen Riesenspaß gemacht.“ Der Wettbewerb beflügelte. Auch individuell kommt jeder zu neuen, überraschenden Ergebnissen. Für Frank Scholz begannen erfolgreiche, produktive Jahre mit vielen Ausstellungen. Es entstehen die Erdbilder mit Stoffen aus Naturmaterial, die mythologischen Körperbilder und Skulpturen und immer mal wieder kühne Flugobjekte. Die bayerische Staatsregierung lohnte es mit der Debütantenförderung und die Stadt Regensburg zeichnete ihn mit dem Kulturförderpreis aus.
Als das Kunst-Werk sein fünfjähriges Bestehen feierte, schrieb eine begeisterte SPD-Oberbürgermeisterin zum Geleit: „Das Kunst-Werk - ein Vegetationspunkt Regensburger Kultur“. Sie schmückte mit einem „Scholz“ ihr Amtszimmer und bemühte Vergil, um die Einmaligkeit dieser Kunst-WG hervorzuheben:

„Der Geist ist es, der die Masse in Bewegung bringt. So auch bei den Kunstwerkern. Sie haben Ideen, durch die sie nicht nur ihre Werke schaffen, sondern darüber hinaus, auch die Kunst- und Kulturszene in Regensburg befruchten.“

Irgendwie hat es Vergils Geist in Regensburg nicht lange ausgehalten und die Kunst-Werker stoben auseinander. Frank Scholz erwarb ein Wohnhaus mit jahrhundertealter Biografie in Rheinhausen. Mit Hingabe restaurierte und modernisierte er, richtete ein geräumiges Atelier ein und zog mit seiner Partnerin Brigitte ein. Frank Scholz war sesshaft geworden. Schon lange war das Verhältnis zu den Eltern wieder im Lot, die sich mit dem Beruf des Sohnes ausgesöhnt hatten.
In den behaglichen Rahmen der Bürgerlichkeit, die eine Nischenexistenz für exotischen Außenseiter bereithält, begab sich der Frank Scholz trotzdem nicht. Er blieb dem treu, was sein Vorbild, der große Surrealist Max Ernst so ausdrückte:

„Nicht der äußere Schein, sondern das innere Vor-Bild soll das Maß sein.“

Die Zensur im Namen des Herrn

So war es ganz natürlich, dass er sein Thema fand, als im Spätsommer 2006 der Papst-Hype die Stadt in den Klammergriff nahm. Frank Scholz gab eine malerische Stellungnahme ab. „Die Heimsuchung“ nannte er seinen Zyklus von acht Bildern. Surrealistische Ölgemälde und Collagen. Aus seinem Plan, in der Altstadt ein Schaufenster anzumieten und seinen Bilderzyklus auszustellen wurde nichts. Alle winkten ab, als sie hörten, worum es inhaltlich ging. Der öffentliche Raum, der Haidplatz, wurde zur Galerie.
Das Dilemma des Künstlers ist, dass er sich ständig im Reich der Träume und Phantasie bewegt und seine bildnerischen Statements hart mit dem Umfeld kollidieren können. Ja, es bedurfte des Mutes und der geistigen Unabhängigkeit ein Bild wie „Schamanentreff“, den dreifachen Papst, zu malen und in einer Stadt im Papstfieber öffentlich auszustellen, feststehende Rollen zu hinterfragen. Warum ist der eine der heidnische Zauberer, der andere der Stellvertreter Gottes? Beide sind verkleidet. Warum wird der eine akzeptiert, der andere nicht? Ein surrealistisches Bild gibt Fragen auf, es thematisiert die Gegensätze innerer Spannungen. Die Inhalte der Bilder treten auf geradezu schroffe Weise in den Vordergrund und schockieren. Der Witz und die Botschaft seiner surrealen Geschichten liegen nicht offen zutage, man muss sich die Kommunikation mit seinen Bildern erarbeiten.
Damit hält sich ein auf Obrigkeit fixierter Staatsanwalt nicht auf. Auf seine Weisung hin wurden zwei Bilder des Zyklus beschlagnahmt. Der Künstler rief die Beschwerdekammer des Landgerichts Regensburg an und diese urteilte: „Der grundgesetzlich garantierte Schutz der Kunstfreiheit gebietet eine restriktive Auslegung des Begriffs Beschimpfen’.“ Mit der Strafvorschrift des Religionsparagrafen könne nicht „jegliche Kritik auch nicht in Form der Satire oder Karikatur verboten werden.“
Seit seiner öffentlichen malerischen Stellungnahme zum Papstbesuch sind Arbeiten von Frank Scholz in Regensburg weniger zu sehen. Dem Kunst- und seinem Vermarktungsbetrieb hat er sich nie angedient und Strömungen ist er nicht hinterhergelaufen.
Dafür entdeckte der Maler Scholz sein Gespür für Bäume. Ganz sachte, von der ersten Erprobung mit Flugobjekten und anderen Himmelsturmgeräten kam er auf die Erde zurück und folgt der Spur des Wachsens. Aus Baumstämmen entstehen großartige Holzplastiken, die Formen bloßlegen und Inneres freigeben. Er bricht Oberflächen auf, ohne jedoch den Kern zu verletzen, er lässt Energie sichtbar werden, ohne sie freizusetzen. Jede seiner handwerklich erarbeiteten Holzplastiken hat eine unverwechselbare Form, die zum freien Interpretieren einlädt.

Text: Waltraud Bierwirth | Fotografie: Rose Heuberger

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